Kochkisten - Thermosgarer vor 150 Jahren

Es gibt nur noch wenige Zeitzeugen, die selbst mir Kochkisten hantiert haben. Zum Kochen genügt den meisten Menschen Topf, Pfanne und Blech. Für bestimmte Rezepte bleiben Kochkisten dennoch unverzichtbar.



Zum Beispiel für das russische Nationalgericht Gretschnewaya Kascha (Abkürzung: "Gretschka"), das aus Buchweizen und Butter besteht.


Allerdings bedient man sich noch heute einer Unterform der Kochkiste:
Der heiße Buchweizenbrei wird mit oder ohne Topf in Decken und Zeitungen gewickelt und oftmals im Bett unter Kissen gelagert. Die konstante Wärme gärt den Buchweizenbrei über ca. 6 Stunden durch. Je länger die Garzeit, desto besser schmeckt das Gericht.



Die Anfänge der Kochkiste


Die ersten Aufzeichnungen über Kochkisten in Europa - zumeist Anleitungen für den Eigenbau von Kochkisten - entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts. In Zeiten der Knappheit an Brennstoffen griff die Bevölkerung auf selbstgebaute Kochkisten zurück. Oftmals rief der Staat zur Nutzung dieser Energiespar-Apparate in Kriegs- und Krisenzeiten auf:

  - Deutsch-Französischer Krieg 1870-1871
  - Erster Weltkrieg 1914-1918
  - Weltwirtschaftskrise 1929
  - Zweiter Weltkrieg 1939-1945


    Eigenbau eines "Koch-Automats"
    Ein viel wichtigerer Faktor für den Boom der Kochkiste war der Beginn der Industrialisierung. Für die Arbeit in Fabriken wurden vermehrt Frauen angeworben. Die doppelte Arbeitsbelastung der Frau in der Fabrik und im Haushalt verlangte nach einer Lösung. Mit Kochkisten konnten die Frauen Zeit beim Kochen sparen. Vor der Arbeit wurden die rohen Lebensmittel im Topf erhitzt. Die Speisen garten bis zum Mittag- oder Abendessen alleine weiter. Es bedurfte keiner Überwachung und sparte noch beiläufig Energie. Da die Kochapparate erst nach 1916 auf dem Markt erschienen, mußte frau sie zunächst selbst bauen.


    Kochkisten in der Literatur

    Kochautomat "Heinzelmännchen"

    1916 wurde ein Patent für eine Kochkiste angemeldet und Kochkisten waren nun im Handel erwerblich. Das bekannteste Modell war der "Koch-, Brat- und Backautomat Heinzelmännchen". Er wurde mit heißen Steinen bestückt, um die Temperatur konstant zu halten. Dazu gab es das Heinzelmännchen-Kochbuch von Katharina Micheler, daß man noch heute in Antiquariaten finden kann. 
    Aber auch außerhalb von Kochbüchern kann man über Kochkisten lesen. Zum Beispiel in der Erzählung "Kindheit in Ostpreußen" von Marion Gräfin Dönhoff oder in Wilhelm Buschs "Abenteuer eines Junggesellen". 


    Kochkisten der Gegenwart - Für Omas und Lohas 

    Thermotopf "Romana" von Schulte-Ufer

    Kochkisten sind in den vergangenen Jahrzehnten der Fülle in Vergessenheit geraten. Auf einigen Blogs, die sich dem Thema "Nachhaltigkeit" widmen, werden Bauanleitungen besprochen. Da einige Speisen ausschließlich per Langzeit-Garung gelingen, hat sich der sogenannte Thermotopf "Romana" der Firma Schulte&Ufer auf dem Markt gehalten. Der Außentopf ist aus Styropor, der Innentopf ist ein normaler Kochtopf, der aber sehr gut verarbeitet ist. Zum Energiesparen ist er nicht geeignet und Kartoffeln kann er nicht fertig kochen, da der Temperaturverlust zu groß ist.



    Seit ca. 2 Jahren verbreiten sich Thermosgarer als Trendprodukte in sogenannten Loha-Haushalten. Als Lohas gelten Menschen, die zu den besser Verdienenden gehören mit umweltbewußtem, nachhaltigem Konsumverhalten (englisch: Life Of Health and Sustainability). Die Lohas-Bewegung ging von New York aus und ist in allen europäischen Metropolen angekommen. Raumfahrt-Technologie und ein Umdenken zugunsten der Umwelt brachten Thermosgarer (englisch: Thermal Cookers) auf den Markt. Thermosgarer vermögen die erhitzten Speisen bis zu 30 Minuten weiterzukochen ohne Energiezufuhr. Speisen bleiben über 12 Stunden heiß. Die Energieersparnis im Haushalt ist enorm und rechtfertigt den hohen Anschaffungspreis von 150 € bis 300 €.


    Meine Thermosgarer habe ich unter der Bezeichnung "Thermal Cookers" bei Aliexpress erworben. Bei Amazon Deutschland gibt es hauptsächlich Thermo-Töpfe und Schon-Garer (Slow-Cookers).


    1 Kommentar:

    1. Es gibt nicht nur Gretschnewaya Kascha. Die neuseeländische Maori-Küche, die japanische Küche und die jüdische Sabath-Küche verwenden ebenso Kochkisten. Es gibt die Kochkisten-Küche auch außerhalb von Europa.

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